Emil und die tanzenden Schneeflöckchen

Liebe Eltern und liebe Emilfans! Ab sofort gibt es eine neue Kategorie auf Emils Webseite: Geschichten zum Vorlesen. Diese Kurzgeschichten dürft Ihr Euch kostenlos von dieser Seite kopieren. Sie sind als Gute-Nacht-Geschichten gedacht, können aber einfach auch so gelesen und / oder gesammelt werden. Also viel Freude mit der ersten Geschichte, die herrlich zur herbstlichen Jahreszeit paßt: Emil und die tanzenden Schneeflöckchen. Sie erzählt von einem Abenteuer, welches Emil im Sumpf erlebte, als er noch nicht in der Drachenschlucht hauste.

Der kleine Drachen Emil, der mit seiner Mama im Moor leben mußte, sah mit traurigen Augen den davonfliegenden Enten nach. In Richtung Süden ginge es, hatte ihm eine der Enten verraten, dorthin, wo die Sonne schien und wo es so schön warm war. Hier würde bald der Winter hereinbrechen und dann würde es kalt.

 

„Weißt du was der Winter ist?“ fragte Emil eine Kreuzotter, die an ihm vorbeischwamm. Die Viper kroch auf einen abgebrochenen Birkenstumpf und sagte: „Nein, leider nicht, denn ich verkrieche mich bald und werde das, was die Menschen den Winter nennen, verschlafen. Aber frag doch den Moorfrosch.“ Aber auch der Moorfrosch konnte ihm keine Antwort auf seine Frage geben. Schließlich riet ihm eine alte Unke, doch seine Mama, die schlaue Lava, zu befragen. Warum ich da nicht gleich drauf gekommen bin, dachte Emil und schwamm in Richtung Drachennest.

 

Und wie er so durch das Moor schwamm und geschickt zwischen den Wurzeln abgestorbener Birken hindurch tauchte, fühlte er plötzlich, daß das Wasser kälter geworden war.

 

Kaum am Drachennest angelangt, rief er: „Mama, was ist der Winter?“

 

Lava, die weise Drachenmutter, beugte ihren langen Hals zu Emil hinab und antwortete: „Der Winter ist ein harter Geselle für uns Drachen. Er bringt die Kälte mit und vertreibt alles was fliegt und kriecht. Er bringt das Moor zum Erstarren und zwingt uns in den Winterschlaf. Siehst Du, Emil, ich habe abgebrochene Bäume gesammelt und unser Nest fast zu einer Schlafhöhle umgebaut. Bald wird es sehr, sehr kalt und der Schnee wird seine weißen Hände über das Land legen.“

 

„Der Schlee?“

 

Die Drachenmutter lächelte. „Schnee, Emilchen, Schnee.“

 

„Wann kommt der Schnee?“ fragte Emil nun.

 

Lava sah zum Himmel. Sie sog die kalte Luft tief in ihre Nüstern. „Vielleicht schon bald.“

 

Dann glitt ihr Blick über das Moor. Die Pflanzen der Umgebung wie Wollgras, Schilf und Sonnentau hatten ihre grüne, gelbe und rote Farbe verloren. Die Tiere, bis auf wenige kleine Vögelchen, hatten das Weite gesucht oder waren schon in ihren Winternestern. Nicht mehr lange und das Moor würde einen langen Schlaf antreten.

 

„Sieh zum Himmel, Emil, und schon bald wirst du wissen, was Schnee ist.“

 

Emil kroch auf ein großes Stück schwimmendes Gras und sah zum Himmel. Und so verging eine ganze Weile, ja sogar ganze Wochen. Doch eines Tages fiel das erste Schneeflöckchen vom Himmel und landete direkt auf Emils Nase. Der kleine Drachen hatte es genau beobachtet, denn seine Drachenaugen waren schärfer, als die eines Adlers.

 

„Wer bist du denn?“ fragte Emil und pustete die Schneeflocke in die Höhe. Das Schneeflöckchen begann lustig vor ihm hin und her zu tanzen und als der kleine Drachen das kleine weiße Ding mit einer seiner Drachenkrallen auffangen wollte, war es verschwunden.

 

„Wo bist du denn?“ fragte Emil verwundert und war ganz traurig, daß das Schneeflöckchen verschwunden war und nichts mehr von ihm wissen wollte. Aber gerade in dem Augenblick, als er zu seiner Mama schwimmen wollte, tanzte schon ein zweites Schneeflöckchen vor seiner Nase hin und her. Und plötzlich wurden es immer mehr und der kleine Drachen wirbelte sie lustig durch die Luft. Schließlich landeten sie in großer Zahl auf den Birken und Gräsern des Moores und bedeckten es mit einem weißen Teppich. Das muß ich Mama erzählen, dachte Emil und machte sich zum Drachennest auf. Die lustigen weißen Dinger ließen das Wasser erstarren, und Emil hatte Mühe hindurchzuschwimmen.

 

Als er endlich seine Mama sah, rief er:“ Mama, sieh wie schön alles ist!“

 

„Ja, mein Kind, der Winter hat auch schöne Seiten. Das Weiße, das ist der Schnee und der besteht aus vielen, vielen Schneeflocken!“

 

Emil sprang auf eine Grasinsel, die schon völlig zugeschneit war. Er rollte sich und schlug übermütig mit den Flügeln. Schon lange hatte seine Mama ihn nicht mehr so ausgelassen und fröhlich gesehen. Sie wußte aber auch, daß das nur von kurzer Dauer sein würde, denn Drachen halten Winterschlaf.

 

„Komm, mein Kind,“ sagte sie dann mit ruhigen Worten, „genug getobt. Wir müssen nun schlafen gehen.“

 

„Ach, wie schade, der Schnee ist so schön.“

 

Die Drachenmutter schob ihr Kind behutsam in das dicht gebaute, warme Drachennest. Mit ihren mächtigen Flügeln bedeckte sie den kleinen Emil, der kurz vor dem einschlafen war. Plötzlich hob er noch einmal seinen Kopf und sah seine Mama mit müden Augen an.

 

„Mama, wer macht eigentlich die vielen Schneeflocken?“

 

Die Drachenmutter dachte kurz nach.

 

„Die macht der Gott der Drachen“, antwortete sie sanft. „Nun aber schlaf.“

 

Emil steckte wieder den Kopf unter die schützenden Flügel seiner Mama. Er spürte ihre Wärme und schloß langsam seine Kulleraugen. Nachdenklich und schon halb im Schlaf murmelte der kleine Drachen: „Aber der hat doch gar nicht so viele Hände.“

 

Dann entschwand er mit einem leichten Schnaufen in die wunderbare Welt der phantastischen Drachenträume und verschlief seinen ersten Winter.